2. Tag: Abstecher zur Spielbank Hannover

Ich habe herrlich geschlafen und mir ein ausgedehntes Frühstück gegönnt.

Nun wird es Zeit, meiner Frau zu verklickern, dass ich das nächste Jahr nur noch gelegentlich mal arbeiten werde. Sie fand meine Idee nicht so toll und würde es sich überlegen ob sie da mitspielt. Ich überlege natürlich auch, aber in einem Jahr ist meine Gewinnerkarriere vorbei und warum soll ich mir eine Chance selber verbauen? Zudem bin ich hin und hergerissen, warum nicht einfach jeden Tag ein anderes Casino besuchen und das Maximale rausholen, frage ich mich. Nein, das würde mir keine Freude bereiten, denn ich möchte ja MIT dem Casino spielen und nicht nur IM Casino. Außerdem, mein Spiel wäre durchschaubar und warum sollte ich auch im Gegensatz zu meinem persönlichen Spiel, so lange Zeit in einem Casino verbringen müssen? Die Gewinne unterhalb der Schmerzgrenze einer Spielbank sind mein Ziel und mein Spielergebnis muss zufällig aussehen. Meine Maximum-Abschiedstour kann ich immer noch durchziehen.

Gedacht – getan und eingestiegen ins Auto geht es über die BAB 7 nach Hannover. Nach knappen zwei Stunden erreiche ich mein Ziel. Auch heute bin ich präpariert mit meinem Schummelzettel.
Die Permanenzen auswendig zu lernen, das wäre mir zu aufwändig.

Aha, heute werden drei Tische geöffnet, gut so. Im Treppenaufgang in die erste Etage der Spielbank Hannover umgibt mich ein Gefühl unendlicher Leichtigkeit.
Es ist früher Abend und dennoch erwartet mich ein emsiges Treiben in der Spielbank. Ich frage mich, in welche Rolle schlüpfe ich heute?
Will ich ein Sputnik sein, der augenscheinlich gehetzt zwischen den Spieltischen pendelt, oder gebe ich mich als Permanenztüftler aus, der umfangreiche Berechnungen anstellt, um sich dann für eine Einfache Chance zu entscheiden?

Vieles ist denkbar und um mir die Entscheidung zu erleichtern, suche ich das Rondell-Café am Kopfende des Saales auf und bestelle mir eine eiskalte Coke ohne Eis und Zitrone.

Ich habe mich entschieden. Am Empfang gab es Glücksjetons, die ich jedoch nur auf Plein verspielen darf. Ich nähere mich dem ersten Tisch und warte, bis der Croupier abwirft.
Kurz nach der Absage platziere ich meinen Glücksjeton auf die „34“.
Der Tischchef entgegnet mir freundlich aber bestimmt: „Bitte nicht so spät setzen, der Herr!“
Ich gucke unschuldig, als ob ich ihn nicht verstanden hätte und wende mich einem anderen Tisch zu.
Natürlich fällt die „34“ und ich strecke meinen Hals in Richtung meines Glücksjetons. Als ich meinen Gewinn entgegennehme, entschuldige ich mich noch mal: „Zwei Stücke für Sie und es tut mir leid, aber meine Intuition für diesen Satz hatte ich erst sehr spät.“
Zufrieden nickt der Tischchef und ich trolle mich.

Am BlackJack-Tisch schaue ich den anderen Spielern zu und checke meinen Permanenzzettel.
Ah bei Tisch 3 läuft jetzt eine längere Schwarz-Serie, es wird Zeit für ein zünftiges Paroli-Spiel.
Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es, meinen Jeton zu platzieren. „11, Schwarz, Impair, Manque.“ Verkündet der Croupier und bezahlt mich.
Ich lasse stehen und nehme auf einem der Hocker Platz, die ein wenig entfernt vom Tisch stehen.
Nachdem noch sechsmal Schwarz kam, blickt sich der Tischchef um, als suche er den Besitzer des Jetonstapels. „Na freundlich sind sie zumindest hier, machen sich Sorgen um die Gewinne des Spielers!“ denke ich, aber ich weiß auch, dass der Croupier noch viermal Schwarz treffen wird.

Ich genieße das Schauspiel und es kommt die „29“ und danach die „28“.
Der Croupier läutet nach dem Saalchef und deutet auf meinen Jetonstapel, mittlerweile liegen hier Jetons im Wert von 2.560,- Euro.
Der Saalchef winkt ab und lässt abdrehen, es kommt die „24“.
Nun befiehlt der Saalchef einen Handwechsel. Innerlich grinsend verfolge ich das Schauspiel und überlege, ob ich nicht noch zusätzlich Plein a Maximum belegen sollte, verwerfe aber den Gedanken. Schließlich bin ich gerade in die Rolle eines EC-Spielers geschlüpft.

Auch der neue Croupier muss die „35“ drehen, so steht es auf meinem Permanenzzettel. Der Croupier dreht an und verfolgt nach seiner Absage den Kugelverlauf. Eigentlich darf er das nicht, denke ich mir, denn schließlich muss er das Tableau überwachen und unzulässige Sätze abwehren.
Klack, klackklackklackklack, „35“ zeigt die Permanenzanzeige an.

Jetzt stehe ich auf, denn nun muss ich reagieren.
Nicht nur, weil jetzt die Schwarz-Serie abreißen wird, nein, auch weil ich das Tischmaximum auf EC erreicht habe. Ich ziehe meinen Gewinn ab und beobachte nur noch, wie andere Spieler Schwarz mit ihren Einsätzen zupflastern.
Ich weiß es besser, es kommt nämlich die „7“.

Der Croupier wechselt die Drehrichtung und wirft die Kugel ein. Nach einer Kugelrunde platziere ich eine 5.000,- Platte auf Rot. Sofort setzt Tumult am Tisch ein, alle wollen ihre Schwarz-Einsätze nun auf das rote Feld verschieben.
Ich achte nur auf meine Platte, man weiß ja nie.
Der Croupier sagt ab und ich sehe den Leuten um mich herum die Angst an, ob sie wohl verlieren. „7, Rot, Impair, Manque, nichts aus den Annoncen“ fast betonungslos sagt der Croupier die gefallene Zahl an.
„Rot bezahlt“ ist mein Pausensignal und ich begebe mich zum Rondell und bestelle einen Haussalat, schließlich geht der ja aufs Haus. Frech grinse ich in mich hinein.

Mit einem erfolgreichen EC-Spiel hat meine Spielweise gar nichts gemein. Ein starres Spiel auf nur eine Chance wird niemals ein erfolgreiches Systemspiel.
Ich werde nach meiner Bestellung auf mein System angesprochen und muss mir mein Lachen verkneifen. Da ich schon jahrelang in den einschlägigen Internetforen unterwegs bin, fallen mir passende Begründungen schon ein, mir die Fantasten vom Hals zu halten: „Die Schwarz-Serie war fällig, schauen Sie sich doch bitte mal den Vorlauf an, verstehen Sie etwas von Sigma-Grenzen? Nein?
Informieren Sie sich doch bitte, es hilft ehrlich! ich kann Ihnen mein Spiel nicht erklären, aber es beruht auf Spiegelungen und all so was.
Die Wahrheit sieht anders aus, aber die Leute wollen genau das von mir hören.
Einem pathologischen Spieler kannst du nicht helfen, denke ich mir.
Außerdem muss ich an meine Fassade denken.

An diesem Abend setze ich nur noch dreimal, wenn auch in entsprechender Stückgröße. Irgendwann nervt der Tross der Nachspieler nur und ich mache mich auf den Heimweg.

30.000,- Euro sind genug Gage für meine schauspielerische Leistung. Höhere Gagen gibt es in größeren Häusern tröste ich mich, trete das Gaspedal durch und gleite in Richtung Heimat.

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