Gegen 21:00 Uhr verlasse ich mein Haus, bewaffnet mit meinem Permanenzzettel für diesen Tag, Ausweis und 1.000,00 Euro.
Am Empfang lege ich meine silberne Ehrenkarte vor und bekomme freien Zutritt und auch einen Getränkegutschein dazu. Gemütlich schlendere ich zur Bar und nicke dem Barmann kurz zu. „Wie immer?“, fragt er abwesend. Ich nicke und überschaue das Geschehen in meinem Revier. „Wenig los heute“, sage ich, als er mir meinen Cappuccino bringt. „Ja, na vielleicht wird’s noch“, antwortet er und wünscht mir viel Glück. „Danke Wolfgang“.
Ich weiß: „Glück brauche ich heute nicht“. Mein Vorteil befindet sich heute in der Innentasche meines Jacketts: die Permanenzen des heutigen Abends.
Ich verfolge den Permanenzverlauf an Tisch 1 und wundere mich nicht über die bereits gefallenen Zahlen, ich kenne sie ja bereits.
Mit einem wie immer freundlichen „Guten Abend“ stelle ich mich an Tisch 1, ziehe einen 500 Euro Schein aus der Hosentasche und lege ihn auf das Tableau: „A Louis bitte!“ DerTischcroupier fragt vorsichtig nach: „A Louis der Herr?“ „Ja bitte“ und er schiebt eine StickJetons zu mir und zählt kurz vor: „200, 400, 20, 40, 60, 80, 500 a Louis gewechselt, bitte sehr!“. Ich bedanke mich mit einem Nicken, man kennt mich hier als wortkarg.
Der Saalchef schaut gelangweilt, ist aber wie immer auf mein Spiel gespannt.
Ich setze irgendwas, alles was mir gerade einfällt, Transversale Plein, Carré, Plein, Dutzend,Kolonne. Mal gewinne ich, meistens verliere ich. Sichtlich nervös ziehe ich mein Taschentuch aus der Hose und schnäuze mich. Mein Spiel dauert nicht lange und ich habe keine Jetons mehr. Zeit für einen obligatorischen Toilettenbesuch, der heute zu meiner Show gehört.
Zurück am Tisch und rechtzeitig zum Handwechsel poltere ich los: „Hoffentlich bringen Sie mir mehr Glück als Ihr Kollege!“. „Mein Herr, ich gebe mir die größte Mühe!“ antwortet der neue Croupier. „Das will ich hoffen“ und lege meinen letzten 500 Euro-Schein auf den Tisch: „A 50 bitte!“. Kurz vorgezählt schiebt der Croupier meine 10 Jetons zu mir. Ich schaue den ersten drei Coups nur zu. Der Croupier versucht, mich zum Spiel zu animieren: “Bitte das Spiel zu machen“. Ich weiß, es kommt die „9“ und annonciere dennoch die „Große Serie“ a 50. „So ein Mist“ zische ich oskarverdächtig, als die Kugel in der „9“ landet. Ich bekomme ein emotionsloses „Schade“ zu hören, „Du kannst mich mal mit deinem ‚Schade’.“ denke ich.
Den letzten 50er Jeton wechsle ich nun in Zweier-Jetons um und spiele unmotiviert und wie ein echter Verlierer irgendwelche Kolonnenspiele. Erwartungsgemäß verliere ich und in meiner Hand halte ich nur noch drei Jetons. Ich zahle beim Barmann meinen Cappuccino mit zwei Jetons. „Das ist mein Glücksjeton, der letzte meiner 1.000,- Euro“ verkünde ich lauthals am Tisch und lege ihn auf die „29“. Der neue Croupier kennt mich nicht und schaut mich mitleidig an, schon oft hat er solche Schauspiele in seiner Karriere erlebt und er erwartet, dass ich kurz darauf wie ein begossener Pudel das Casino verlassen werde. Er dreht an, wirft die Kugel ein und die Kugel beginnt ihren Lauf. Wie der Croupier es erwartet, wende ich mich vom Geschehen am Tisch ab und blicke gebetsartig zur Decke. Ich spiele mein Spiel, hier ist meine Bühne.
Die Kugel beginnt zu klackern, kollidiert mit einer Raute und fällt in die „3“. Sie hat aber Schwung und springt aus dem Fach und landet wenige Fächer weiter in der „29“. Ich sehe es dem Croupier an „Noch mal Glück gehabt“ denkt er. Nein mein Freund, es war kein Glück.
Der Croupier zahlt die unteren Chancen aus und schiebt mir 35 Jetons zu: „Ein Plein a Zwo, 35 Stücke, 70“. „Einsatz für Sie und bitte alles a Fünf“ ist meine Antwort. Ich bekomme 14Stücke a Fünf und setze die „Kleine Serie“ doppelt und zwei Stücke auf Transversale Plein„10-11-12“, denn ich weiß, es fällt die 11. Der Saalchef ist mit meinem Satz nicht einverstanden, ich sehe es ihm an, aber ich spiele mein Spiel mit der Bank. Es fällt die „11“ und ich bin mit 280 Euro Gewinn dabei. Ich tue überrascht und gebe großzügig zwei StückeTrinkgeld, auch Tronc genannt, bemerke aber am Tisch, dass ich noch ziemlich weit hinten liege.
Jetzt sollte die „21“ kommen und ich annonciere: “Finale 1 a 10 bitte“. Meine Annonce wird wiederholt und der Croupier legt jeweils zwei Stücke auf die „1“, „11“, „21“ und die „31“. DieKugel rollt und landet schließlich mit einem satten Klack in der „21“. Ich bekomme meinen Gewinn (Auszahlungsquote) vorgezählt: „Ein Plein a 10, 35 Stücke, 350.“ Ich gebe ein Gewinnstück in den Tronc und lasse mir alle bisherigen Gewinne in Louis wechseln. „Jetzt brauch ich ne Pause“, bemerke ich am Tisch und schlendere zurück an die Bar.
Geduldig warte ich ab, bis der andere Neu-Croupier wieder seine Schicht hat, bei dem ich mit meinem Spiel begann.
Gegen 23:00 Uhr ist es soweit – Handwechsel.
Ich werfe einen kurzen Blick auf meinen Permanenzzettel und wechsele an den Tisch. Der Croupier erkennt mich und erwartet meinen Einsatz. Ich weiß, er wirft nun meine Lieblingszahl und Zweitfrau die herrliche „23“. Ich lege vier Louis auf die 23 und ergänze die umliegenden vier Chevals mit jeweils sechs Louis-Stücken. Am Tisch regt sich erste Aufmerksamkeit, so hoch wird hier normalerweise nicht gesetzt. Der Croupier dreht langsam den Kessel und wirft die Kugel ein. Irgendwie rattert die Kugel seltsam, sie läuft nicht rund und stabilisiert sich erst gegen Ende ihres Laufes. Die Kugel hat unterwegs so viel Energie verloren, dass sie fast senkrecht in den Kessel hineinstürzt. „23, Rot, Impair, Passe“ verkündet der Croupier und freut sich auf ein sattes Trinkgeld. Er zahlt die Einfachen Chancen aus, die Drittelchancen werden bezahlt und dann bin ich an der Reihe: „Ein Plein a 80, vier Cheval a 120, 10.960, alles groß der Herr?“. „300 auf die 37“, antworte ich und ein lakaienhafter Dank erreicht mich.
Ich habe die Situation im Griff und weiß, Doppelschlag auf die „23“. Ich lasse den Croupierauf Maximum erhöhen: „Zweihundert auf die „23“ und jeweils Vierhundert auf die Cheval„22/23“, „23/24“, „20/23“ und „23/26“.“ Der Croupier blickt fragend zum Saalchef und der presst heraus: „Na dann machen Sie das mal“. Fasziniert wie eigentlich auch sonst immer, schauen die übrigen Gäste auf den Tisch, und ein Stamm-Nachspieler fasst sich wie immer schweißgebadet den Mut, und spielt a 2 auf die „Kleine Serie“.
Der Croupier dreht an und wirft ungewöhnlich scharf die Kugel ein. Nach fast unendlich langen zwanzig Runden senkt sich die Kugel in Richtung Kessel, springt über den Zahlenkranz hinweg und legt noch mal fast zwei Runden auf dem Teller zurück. Die Kugel entschließt sich, im Fach mit der Nummer „23“ ihren Lauf zu beenden. Bingo!!
Ich verzichte auf die erforderliche Nachlage und lasse den Finanzbeamten meinen Gewinn in Höhe von 34.200,- Euro ordentlich protokollieren. Die Einsätze gebe ich als Trinkgeld, immerhin 1.800,- Euro gab es für die Angestellten. Zum Schluss schnappe ich mir vier Platten und verkünde dem Croupier: „Jetzt gebe ich Ihnen die Chance, sich einen Teil des Geldes zurückzuholen“. Er dreht an und ich lege zwei Platten auf Impair und zwei Platten auf Manque aus.
Es fällt die „1“, ich ziehe meinen Gewinn (Auszahlungssquote) und den Einsatz ab und verlasse den Spieltisch in Richtung Kasse.