Wir haben den Tag mit unseren neuen Freunden genossen,
Frühstück mit Rheinblick und anschließend legten wir eine Wellness-Etappe im Mediterrana in Bergisch Gladbach ein. Eigentlich bin ich nach einem Thermenbesuch richtig schlapp und antriebslos, doch für heute Abend habe ich mir mit ihnen einen gepflegten Besuch im Casino Aachen vorgenommen. Ausreichend Motivation für mich befindet sich auf meinem Permanenzzettel in der Jacketttasche.
Während der Fahrt schwebe ich in Gedanken, die Was-Wäre-Wenn-Phantasien kennt jeder und es entstehen die abenteuerlichsten Ideen. Bernd, Petra und Nils wollten schon immer mal Luxus-Urlaub machen, Dirk will sich ein größeres Motorrad kaufen und seine Dagmar ist ebenfalls begeisterte Bikerin. Innerlich notiere ich die Wünsche meiner Freunde und schätze ab: Banyan Tree an der Anse Intendance mit Abstechern nach Praslin und La Digue für zwei Personen rund 30.000,- Euro. Die neue Suzuki GSX-R 1000 mit ein wenig Schnick-Schnack ebenfalls 15.000,- Euro. Mein Ziel steht fest! Wir kennen uns jetzt schon seit dreizehn Jahren und es wird Zeit, auch mal Dankeschön zu sagen.
Im Casino angekommen und die Ladys unserer Freunde hatten sich richtig chic gemacht, schauten wir erst ein wenig beim Pokern zu. Als es uns zu langweilig wurde, erzählte ich von meinem ersten Casinobesuch überhaupt. Der war nämlich 1989 in Kassel und ich erinnere mich noch ganz genau. Der damalige Junior-Chef von mir ging damals regelmäßig abends ins Casino und erzählte anderntags auf der Baustelle von seinen Gewinnen. Die unschlagbare Martingale war sein Geheimrezept und damals war ich echt unbeleckt in diesen Sachen.
Ich kaufte mir bei C&A ein dunkelrotes kariertes Sakko und eine Polyester-Krawatte. So ausgestattet ging es an einem Samstag mit meinem Chef auf die Wilhelmshöhe in die Spielbank Kassel. Ehrfurcht befiel mich und ich habe mich wie ein kleines Licht gefühlt. Damals verfolgte ich noch keine Permanenzen und nach dreimal Rot setzten wir Minimum auf Schwarz. Mein Herz schlug bis zum Hals, als ich meinen ersten Einsatz tätigte und ich verlor. Also setzte ich noch mal doppelt auf Schwarz und gewann schließlich. Ich gewann damals 50,- DM und ich konnte dem Roulettespiel gar nichts abgewinnen. Was ich damals nicht wusste, bis zu meinem nächsten Spielbankbesuch sollten 7 Jahre vergehen.
Wir lachen herzlich, als ich meinen Freunden das Prinzip der Martingale erkläre. Ich erhebe dennoch den Zeigefinger und warne vor diesem Spiel. Es kann lange gut gehen, aber auch sehr schnell schief. An der Kasse tausche ich 2.000,- Euro in 100er Jetons um und gebe jedem meiner Freunde 5 Jetons. Die erklären mich für verrückt, aber ich mache ihnen den Vorschlag, entweder selber die Jetons zu verspielen oder nach meinen Anweisungen zu setzen. Letzterer Vorschlag wird angenommen und ich ziehe mich ein wenig zurück. Wie ein Dirigent teile ich jedem Paar einen Spieltisch zu und beginne piano. Bernd bekommt die Anweisung, 200 auf das dritte Dutzend zu setzen und seine Petra soll auf die letzte Kolonne setzen, 36 und Treffer. Dirk und Dagmar setzen 200 Euro überschneidend auf die Transversalen Simple 10/15 und 13/18, es kommt die 14.
Gewinnen macht Spaß, ich sehe es den Vieren an und überlege, sie nicht auch mal verlieren zu lassen. Zwischendurch behaupte ich, dass ich keine Idee habe, was zu setzen wäre. So habe ich Zeit, ihnen den Kessel und das Tableau näher zu erklären. Dirk und Bernd sind naturgemäß aufgeschlossener und verstehen sofort, was Kleine Serie, Zero-Spiel,Grosse Serie und die Orphelins bedeuten.
Den Mädels genügt es, über die Finale-Spiele Bescheid zu wissen. Mit diesen Erkenntnissen schicke ich sie nun als Einzelkämpfer an die Tische zurück und kann sie ganz konkrete Zahlen spielen lassen. Petra traut sich nicht so richtig, ganze 100er Jetons nur auf eine Zahl zu setzen. Ich kann sie verstehen, sie ist Krankenschwester und 100 Euro sind für sie viel Geld. Ich beruhige sie und sage, 1.000,- Euro darf sie auf jeden Fall behalten auch wenn sie verliert. Sie wird nicht verlieren, das weiss ich. Ich spiele mein Konzert, lasse Finale-Schnaps setzen, lasse Kleine Serie spielen und liebe den Doppelschlag.
Die Vier kommen aus dem Staunen nicht heraus. Nachdem jeder so um die 10.000,- Euro gewonnen hat, verkünde ich, dass jeder nur noch einmal setzen darf. Dirk ist der Erste und er soll bitte die 9 setzen. Aber die kam doch schon zweimal und überhaupt kam das erste Dutzend fünfmal hintereinander. Jetzt muss doch mal was anderes kommen? Aber ich dulde keinen Widerspruch: Was habe ich vorhin erklärt? Du kannst nicht aus dem, was gekommen ist schließen, was jetzt unmittelbar im Anschluss kommt oder was gar nicht kommt. Willst du gewinnen? Und er setzt 400 auf die 9. Dirk gewinnt und ich bitte ihn um Entschuldigung, dass ich eben so harsch gewesen war. Der Gewinn ist genug Schmerzensgeld.
Jetzt schicke ich seine Petra an die Front mit dem Tipp, dass die 26 kommt. Petra denkt sicherheitsbewusst und setzt nicht nur die 26 sondern auch noch die beiden Nachbarn aus. Unnützer Einsatz, denke ich mir, halte mich jedoch zurück. Fasziniert schaut Dagmar in den Kessel und ich denke, Dirk ist schon ein Glückspilz, so eine attraktive Lady und die beiden werden einen tollen Urlaub auf den Seychellen haben. Rhrhrhrhrhr dreht die Kugel ihre Runden und Ines schaut wirklich skeptisch. Tock-Tocktocktocktock. Ich höre förmlich, wie widerwillig sich die Kugel in Richtung Zahlenkranz bewegt um es sich schließlich schwerfällig in dem Fach mit der 26 bequem zu machen.
Anfängerhaft kann Dagmar ihre Freude nicht unterdrücken und nimmt deshalb auch allen Gewinn und den Einsatz vom Tisch. Ich frage sie: „Hast du nicht was vergessen?“ und plötzlich fällt es ihr wieder ein. Sie geht zurück zum Tisch und will dem Croupier einen 500er Jeton in die Hand geben. Wie süß, denke ich und der Croupier muss ihr höflich verständlich machen, dass sie das Trinkgeld bitte auf den Tisch legen soll. Ines ist richtig aufgeregt und es wird Zeit, unser Spiel zu beenden. Ich instruiere Dagmar, an Tisch 1 bitte die 20 zu spielen. „Warum?“, fragt sie mich und es ist typisch, denn Dagmar will immer alles ganz genau wissen. Ich sage ihr: „Weil Dirk dich mit 20 Jahren kennengelernt hat!“ und grinse sie an. „Was für ne bescheuerte Begründung“, sagt sie und lacht ebenfalls. Der Croupier dreht an und ich ermahne sie mit Handzeichen, endlich zu setzen.
Gerade noch rechtzeitig vor der Absage platziert sie ihr Stück auf die 20. Ich glaube ja, sie hat mit Absicht so lange gewartet, um mich zu ärgern. Ich sehe es sportlich. Selbstverständlich gewinnt sie und erinnert sich noch rechtzeitig an Dagmars Fauxpas. Der Trinkgeldbehälter ist um ein weiteres Stück voller. Zurück an unserem Tisch müssen sich Sabine und Ines sofort über ihre eben gewonnenen Eindrücke austauschen.
Als Letzten schicke ich Bernd an einen der Tische. „Hast du gut aufgepasst?“, frage ich ihn wie ein Lehrer. Genau diesen Vorwurf bekomme ich gerechterweise zurück. Selbstverständlich Herr Oberlehrer! Und das sitzt.
Okay, machen wir es kurz, ich würde auf die 16 setzen. Ich weiß, mit Johannes muss ich nicht lange diskutieren. Er setzt die 16, der Croupier überprüft die Höhe der Einsätze und beginnt mit dem allseits bekannten Ritual. Er nimmt die Kugel aus dem Kessel, dreht in die entgegengesetzte Richtung und wirft in Höhe der vorher gekommenen Zahl ab. 16, Rot, Pair,Manque. Zwei Stücke aus 5 mit Nebennummern ZwoZwo. Ein Stück aus 33 mit Nebennummern ZwoZwo. Keine weiteren Annoncen! Bernd kommt mit seinem Gewinn zu unserem Tisch zurück.
Da liegt er nun, der Jetonstapel und ich lasse die Bombe platzen. „Weil Ihr so erfolgreich gespielt habt, teilt Ihr bitte den Gewinn untereinander auf“. Ich sehe ihre Fassungslosigkeit, klar hatten sie mit einer kleinen Gewinnbeteiligung gerechnet. Aber nicht mit meiner Großzügigkeit. „Soviel Geld! Das können wir nicht annehmen. Du bist verrückt“, waren nur die harmloseren Reaktionen.
„Nun beruhigt euch mal, ihr beide wollt doch schon so lange wie wir uns kennen chic Urlaub machen und Seychellen kosten nun mal. Und du Dirk schläfst doch schon mit dem Motorrad-Prospekt. Erfüllt euch eure Wünsche, Geld ist zum Ausgeben da und wenn ich das so richtig überblicke, bleibt sogar noch was für die Urlaubs- und Benzinkasse übrig. Ende der Diskussion“, entgegne ich, „machen wir uns auf den Heimweg“. Ich teile den Jetonstapel gleichmäßig auf und wir verlassen den Spielsaal in Richtung Kasse.