Es war ein tolles Wochenende im Rheinland, aber im eigenen Bett schläft es sich eben am besten.
Nach dem Mittagessen geht es in Richtung Heimat und unterwegs denke ich mir, die Permanenzen aus Hohensyburg und aus Duisburg müssen doch nicht unnütz herumliegen. Gemütlich reihe ich mich in den obligatorischen Stau rund um Köln ein, auf der A1 geht es dann doch ein wenig flüssiger. An der Abfahrt 87 verlasse ich die A1 und scheuche meinen Audi durch die Kurven hoch zur Syburg.
Der Parkplatz vor dem Casino ist gut belegt und so muss ich also ein Stück gehen. Ich brauch die frische Luft, um mir eine Strategie für heute auszudenken. Allerdings fällt mir nichts Gescheites ein und ich bereite mich auf ein langweiliges Spiel vor. Ich betrete das Haus und bin erst mal völlig orientierungslos. Hier kannst du dich echt verlaufen, denk ich mir. Alles architektonische Absicht und mich überkommt ein Gefühl, dass das Haus mich zwar wohlwollend aufnimmt, aber nicht mehr loslassen will. So steige ich ein wenig beklommen die Treppen hoch in die oberste Etage zum klassischen Spiel. Ich lege meinen Ausweis vor und der Empfangsangestellte tippt meine Daten ein. Er schaut mich an, überprüft noch mal meinen Ausweis und sagt dann zu mir: „Sie waren aber schon lange nicht mehr unser Gast!“ Ich sage: „Bei Ihnen war ich noch nie, aber erst gestern besuchte ich eines Ihrer Häuser.“ „Hm, hier steht, Sie waren 1992 in Aachen, wahrscheinlich kann ich Ihren Besuch von gestern noch nicht einsehen“, erwidert der Angestellte. Ich frage mich, wie lange die bei Westspiel wohl meine Daten speichern und betrete den Spielsaal.
Ich muss sagen, es erschlägt mich und ich benötige eine ganze Weile, um mich zu orientieren. Wie ferngesteuert laufe ich von Tisch zu Tisch und prüfe die Zahlen. Auch hier stimmt alles mit meinem Zettel überein. Ich brauch einen Kaffee und so setze ich mich in eine Ecke. Hier habe ich Zeit, auf die Details zu achten und ich stelle fest, der einstige Glanz in dieser Spielstätte verliert sich langsam. Abgewetzte Polster, angeschlagenes Mobiliar und so langsam gewinne ich meine Sicherheit zurück.
Ich tausche 10.000,- Euro in 1.000er Stückgröße ein und beginne mit einem langweiligen EC-Spiel. Ich setze die Chancenpaare Rot-Impair und Schwarz-Pair mit anschließendem Paroli, wenn es sich laut meiner Permanenz anbietet. Ich muss auf die vielen Kameras achten und fülle zur Sicherheit ein Alibi-Permanenzkärtchen aus. So spiele ich unauffällig, aber eben auch langweilig.
Schnell habe ich mich auf 30.000 hochkatapultiert und lasse mir regelmäßig 5.000,- Euro zurückwechseln. Für einen EC-Spieler ist es nicht ungewöhnlich, mit hohen Einsätzen zu spielen. Trotzdem habe ich das Gefühl, irgendwie satt zu sein. Nur Gewinnen ohne Anstrengung ist eben auf Dauer echt langweilig. Ich schaue mir die übrigen Spieler an, vorwiegend älteres Publikum und ich schaue bewusst, ob ich nicht einen Kesselgucker bei der Arbeit erspähe.
Die Chance ist am Sonntag jedoch eher gering. Da waren sie, die üblichen Verdächtigen, die Zwei-Dutzend-Spieler, die Finale-Spieler, die Pflasterer und die EC-Spieler. Das Einzige, worin sie sich unterscheiden, ist die Höhe ihrer Einsätze.
Spieler sind irgendwie kranke Gestalten. Ich zähle mich selbst nicht dazu und beschließe, meine Spielerkarriere nach meiner Gewinnerwoche so zu nutzen, dass ich spielsüchtige Menschen besser aufklären will. Weil sich meine Kontaktfreudigkeit im Spielermilieu heute innerhalb engerer Grenzen bewegt, suche ich mir einen Croupier, bei dem ich den Eindruck habe, dass er sich freut, wenn die Spieler oft und viel verlieren. Bald darauf ist der passende Kandidat auserkoren.
In Gedanken nenne ich ihn Luigi, mit seinen schwarzen, nach hinten gegelten Haaren macht es ihm offensichtlich einen Heidenspaß, seine Gäste verlieren zu sehen und animiert sie sogar zu noch höheren Einsätzen. Fast spöttisch klingen seine Ansagen: „Nichts aus den Annoncen!“ Ich suche Augenkontakt und schließe mit ihm eine Wette: „Ich glaube nicht, dass Sie in den nächsten zehn Spielen die Grosse Serie treffen!“ „Bitte das Spiel zu machen!“ flötet er zurück, aber ich sehe ihm an: „Wette angenommen“.
Na dann mal los, a 300 auf die Kleine Serie“ mache ich meine Ansage und lege zwei Jetons entsprechender Stückgröße hin. „300 a Kleine Serie, sechs Stücke, Zweihundert zurück“ und der Croupier beginnt zu drehen. Ich weiß, es kommt die „6“, eine wirklich undankbare Zahl für die Kleine-Serie-Spieler und so ergänze ich die „6″ mit den beiden zurückgegebenen 100er Jetons.
„Dein wenn auch innerlich höhnisches Grinsen wird dir noch vergehen“ denke ich beim Lauf der Kugel. „Sechs, Schwarz, Pair, Manque. Nichts aus der Kleinen Serie“, verkündet der Croupier und zieht genüsslich meinen Einsatz auf der Kleinen Serie ein. Ich lass mich bezahlen und annonciere gleich mal nach: „a 400 bitte auf die und lege zwei 100er Jetons zusätzlich auf den Tisch: „Wenn Sie die Grosse Serie treffen, verdoppele ich die 200 und gebe 400 als Trinkgeld in den Tronc!“
So langsam läuft mein Croupier heiß. Es kommt noch dreimal hintereinander die Kleinen Serie, ich gebe kein Trinkgeld und erhöhe jedes Mal den Stapel mit den Jetons, die es als Belohnung für die getroffene Grosse Serie. Mittlerweile liegen da 1.500 Euro Belohnung und Luigi ist sichtlich bemüht, die Grosse Serie zu treffen. Mal wirft er rechts herum genau unter der Zero ab, mal genau unter der 5. Nie will es ihm gelingen, die Grosse Serie zu treffen.
Mein eigentliches Spiel gerät zunehmend in den Hintergrund, Luigi zahlt mich zwar aus, aber mit gierigem Blick auf den Belohnungsstapel wird sein Spiel immer fahriger. Wie muss sich wohl ein Croupier fühlen, der gegen einen Spieler um Trinkgeld dreht? Wohl genau wie ein Spieler, der beim nächsten Coup unbedingt gewinnen muss. Verwirrt schaut Luigi drein, als er die „9″ trifft. „Das war aber knapp!“ sage ich und ziehe meinen Gewinn auf Orphelin a Plein ein, nicht ohne jedoch den Belohnungsjetonstapel um weitere 400 zu erhöhen.
Der Saalchef blickt missmutig drein, zu Beginn zieht sein Croupier die Spieler ab und nun will es ihm nicht gelingen, die Grosse Serie zu treffen? Luigi verkrampft immer mehr, einerseits gönnt er mir wohl meine Gewinne nicht, andererseits sieht er sein eigenes Unvermögen, die Grosse Serie stets zu verfehlen. „Du wirst in deiner Pause nichts zu erzählen haben!“ denke ich mir und mein abschließender Satz ist, dass ich den Belohnungsjetonstapel auf Rot setze: „Der Einsatz spielt für Sie!“ war meine begleitende Bemerkung. „Jetzt müssen Sie nur eine der 18 roten Zahlen treffen, bei der Grossen Serie haben Sie ja kläglich versagt, vielleicht klappt es diesmal!“ „Bitte das Spiel zu machen!“ und kurz darauf „Nichts geht mehr“! Ich weiß, was kommt: „26“, Schwarz, Pair, Passe. Ein Stück aus dem Zerospiel aPlein. „Keine weiteren Annoncen“ und Luigi muss mit schweißnassen Händen den gesamten Stapel der Masse zuführen. „Einen schönen Tag“ wünsche ich noch und mache mich auf den Weg zur Kasse.
So hatte ich doch noch ein interessantes Spiel und verließ die Hohensyburg mit 78.000,- Euro Gewinn. Unterwegs habe ich noch mehrfach herzlich gelacht, denn Luigis Gesichtsausdruck bei meinem letzten Spiel mit ihm war unbeschreiblich. Auch wenn ein Croupier selbst kein Spieler ist, Luigi war sichtlich froh, dass es vorbei war.